Der Spiegel - Gefährliche Mythen, gefördert vom Bundesfamilienministerium
Artikel veröffentlicht am 14.06.2023, letztes Update am 25.06.2023
Bereits am Freitag, den 09.06.2023, veröffentlichte der Spiegel in Ausgabe 24/2023 einen weiteren Beitrag zum Thema rituelle Gewalt. Diesmaliger Schwerpunkt war der Umgang mit Kritik, seitens des Bundesfamilienministeriums - mit gleichzeitiger Förderung von Projekten mit verschwörungstheoretischem Inhalt.
Dazu einleitend, wird auf ein Erklärvideo der Organisationen ECPAT und Kinderschutz-Zentren verwiesen, welches deutlich die Ideologie von Mind-Control Methoden wiedergibt.
Im Gespräch mit dem Spiegel benennt die Schweizer Professorin Susanna Niehaus dies als “unverantwortlich” und “systematische Fehlinformation der Bevölkerung”.
In einer letzten Veröffentlichung schilderte Niehaus sogar eine Bedrohung wissenschaftlich basierter Standards.
Journalist Christopher Piltz berichtet, dass nach Veröffentlichung der damaligen Spiegel-Recherchen Attacken durch diverse Stellen erfolgten. Traumafachverbände und Opferorganisationen verurteilten die Berichterstattung.
Die damals ebenfalls kritisierte Unabhängige Missbrauchsbeauftragte verzichtete auf die Beantwortung weiterer Anfragen durch den Spiegel während das Bundesfamilienministerium äußerte, unterschiedliche Positionen zum Thema rituelle Gewalt wahrzunehmen.
Eigene Ergänzungen
Dass ein Ministerium sich auf fachliche Expertise berufen muss ist für mich nachvollziehbar, da dort Entscheidungen zu unterschiedlichen Disziplinen getroffen werden müssen. Problem für mich ist, dass die Beratung einseitig stattfindet und Verschwörungstheorien in Empfehlungen an das Bundesfamilienministerium weitergegeben werden.
In diesen Expertisen sind Abschnitte zu finden, die dem im Spiegel erwähnten Erklärvideo gleichen:
Organisierte und rituelle Gewaltstrukturen können eine umfassende Kontrolle und Ausbeutung von Menschen durch Mind-Control-Methoden beinhalten. Die planmäßig wiederholte Anwendung schwerer Gewalt erzwingt spezifische Dissoziation bzw. eine gezielte Aufspaltung der kindlichen Persönlichkeit. Die entstehenden Persönlichkeitsanteile werden für bestimmte Zwecke trainiert und benutzt. Ziel dieser systematischen Abrichtung ist eine innere Struktur, die durch die Täter_innen jederzeit steuerbar ist und für die das Kind und später der Erwachsene im Alltag keine bewusste Erinnerung hat.
Quelle: Fachkreis-Expertise Sexualisierte Gewalt in organisierten und rituellen Gewaltstrukturen, Seite 5
Zu den mir bekannten Stellungnahmen gegen den Spiegel-Artikel “Im Wahn der Therapeuten” zählen zwei Stellungnahmen des Betroffenenrat und jeweils eine Stellungnahme der Aufarbeitungskommission (UKASK) sowie der Bundeskoordinierung (BKSF).
Zur Bundeskoordinierung sei erwähnt, dass diese eine Kooperation aus DGfPI, bff und BAG Forsa darstellt. Die Förderung erfolgt durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Alle Gruppen arbeiten mit dem Amt der Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten zusammen und dürften somit zum Teil, wenn auch indirekt, durch dieses finanziert werden.
Weitere Stellungnahmen erfolgten durch EMDRIA Deutschland e.V., die Deutsche Gesellschaft für Trauma & Dissoziation (DGTD), der Gesellschaft für Psychotraumatologie, Traumatherapie und Gewaltforschung (GPTG) und sogar der DeGPT.
Nicht zu allen Verbänden ist eine direkte Verbindung zur Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten, oder zum Bundesfamilienministerium, feststellbar. Manchmal findet man lediglich die Positionierungen zur Ritueller Gewalt / Mind-Control These, manchmal die Verknüpfung personeller Besetzungen oder Hinweise auf Förderungen.
Beim Verein Frauen gegen Gewalt (bff) ist exemplarisch alles zu finden. Die Förderung durch das Bundesfamilienministerium, Verweise auf die bereits kritisierten Quellen ritueller Gewalt oder auch Äußerungen wie diese
Ein Teil der Betroffenen – in der Studie der Aufarbeitungskommission waren es mehr als die Hälfte der Befragten – berichten, dass die dissoziative Aufspaltung absichtsvoll mit systematischer schwerer Gewalt erzwungen und die entstandenen Persönlichkeitsanteile für die Zwecke der Tätergruppe trainiert wurden. Diese Formen der Bewusstseinsspaltung und – manipulation erzeugen Abhängigkeit und Steuerbarkeit, die den Schutz und Ausstieg aus den Gewaltstrukturen erschweren.
Quelle: https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/infothek/organisierte-und-rituelle-gewalt/folgen.html
Oder auch folgendes
Dient eine Ideologie zur Begründung oder Rechtfertigung der Gewalt, wird dies als rituelle Gewalt bezeichnet. Betroffene berichten z.B. von satanistischen und (pseudo-)religiösen Kulten und faschistischen Gruppierungen, in denen organisierte rituelle Gewalt stattfindet. In manchen Strukturen sind Familien generationenübergreifend eingebunden. Es erfolgt eine frühkindliche Bindung an Täter*innen, Gruppe und Ideologie. Hinzu kommt ein Schweigegebot. Aussteigende werden unter Druck gesetzt, erpresst und verfolgt.
In der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs kann man den Mitgliedern Julia Gebrande und Barbara Kavemann eine Verbindung zur DGfPI zuordnen.
Frau Prof. Dr. Julia Gebrande ist laut Webseite der GDfPI unter anderem Mitglied des Wissenschaftlichen Beirat und Mitherausgeberin der Fachzeitschrift DGfPI. Frau Prof. Dr. Barbara Kavemann wird als Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der BuFo - Bundesweite Fortbildungsoffensive - aufgeführt.
Zu anderen Personen findet man ebenfalls Verbindungen zur UBSKM und somit auch zum Familienministerium. Der Aufwand, diese Verbindungen aufzuführen, dürfte allerdings einen eigenen Artikel rechtfertigen.
Insgesamt kann man sagen, dass ein Großteil der kritischen Stellungnahmen aus dem direkten Umfeld der UBSKM stammt und zumindest teilweise von einer Finanzierung des Bundesfamilienministeriums abhängig sein dürften.
Einige der Stellungnahmen bestehen lediglich aus Verweisen auf andere Stellungnahmen und deren Behauptungen. Großflächig kann man eine Dekontextualisierung der ursprünglichen Kritik feststellen. Dies geschieht zum Beispiel immer wieder durch eine Gleichsetzung von ritueller Gewalt und organisierter Gewalt. Dabei werden Kritiker der Rituellen Gewalt / Mind-Control These nicht müde zu betonen, dass organisierte Gewalt nicht angezweifelt wird.
In meinen Augen wird verzweifelt versucht die eigenen Pfründe zu retten, seien es nun die ideologischen, oder die finanziellen. Dabei ist man sich auch nicht zu schade Aussagen zu verdrehen und, durch sozialen Druck, andere Menschen für eigene Zwecke einzuspannen.
Jeder einzelne Verband hat wichtige Aufgaben, doch bei diesem Thema wird völlig versagt.
Update 25.06.2023
Zur Ergänzung weitere Stellungnahmen zur aktuellen Diskussion, gefunden auf dissoziation-forum.de:
- Stellungnahme Jan Gysi, “Stellungnahme zu unhaltbaren Vorwürfen in Medien”, 30.03.2023
https://www.jangysi.ch/.cm4all/uproc.php/0/Statement%20J%20Gysi%2030.3.2023.pdf?_=187311ca519&cdp=a - Versachlichungspapier des Fachverband Traumapädagogik e.V., 06.04.2023
https://fachverband-traumapaedagogik.org/start.html
https://fachverband-traumapaedagogik.org/files/Versachlichungspapier%20ORG_06.04.23.pdf
Zum Weiterlesen
- dissoziationen.de - Spiegel: Follow-Up Bericht über rituelle Gewalt
- GWUP - Satanic Panic: “Systematische Fehlinformation” von hochoffizieller Stelle verhindern die kritische Aufarbeitung
- (Spiegel+) Debatte über vermeintliche rituelle Gewalt - Gefährliche Mythen, gefördert vom Bundesfamilienministerium
Quellen
- Debatte über vermeintliche rituelle Gewalt - Gefährliche Mythen, gefördert vom Bundesfamilienministerium https://www.spiegel.de/panorama/debatte-ueber-vermeintliche-rituelle-gewalt-gefaehrliche-mythen-gefoerdert-vom-bundesfamilienministerium-a-700748c7-3904-493f-b3b1-5ae513f21df1
- Erklärvideo Sexualisierte Gewalt in organisierten und rituellen Gewaltstrukturen
https://www.youtube.com/watch?v=YX4dxoC22rE - Threats to Scientifically Based Standards in Sex Offense Proceedings: Progress and the Interests of Alleged Victims in Jeopardy, Niehaus, S.; Krause, A.
https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/mks-2023-0018/html - Vermeintliche Opfer rituelle Gewalt - Im Wahn der Therapeuten
https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/wie-therapeuten-eine-verschwoerung-ueber-vermeintliche-opfer-ritueller-gewalt-verbreiten-a-fd5ea9b2-9c67-42ef-b451-0f511cb80053 - Fachkreis beim BMFSFJ veröffentlicht Empfehlungen an Politik und Gesellschaft https://www.bundeskoordinierung.de/de/article/117.fachkreis-beim-bmfsfj-ver%C3%B6ffentlicht-empfehlungen-an-politik-und-gesellschaft.html
- UBSKM - Betroffenenrat, Statement zum Thema organisierte und rituelle sexualisierte Gewalt, 17.03.2023
https://beauftragte-missbrauch.de/presse/artikel/720 - UBSKM - Stellungnahme des Betroffenenrates bei der UBSKM zum Thema organisierte sexualisiert und rituelle Gewalt, 17.04.2023
https://beauftragte-missbrauch.de/presse/artikel/730 - UBSKM - Aufarbeitungskommission (UKASK), Stellungnahme zur pauschalen Infragestellung von Betroffenen sexuellen Kindesmissbrauchs in organisierten und rituellen Strukturen, 20.03.2023
https://www.aufarbeitungskommission.de/service-presse/presse/pressemitteilungen/stellungnahme-zur-pauschalen-infragestellung-von-betroffenen-sexuellen-kindesmissbrauchs-in-organisierten-und-rituellen-strukturen/ - bff - Frauen gegen Gewalt e.V.; Stellungnahme anlässlich der aktuellen medialen Diskussion zu Organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt (2023)
https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/stellungnahmen-1718/stellungnahme-anl%C3%A4sslich-der-aktuellen-medialen-diskussion-zu-organisierter-sexualisierter-und-ritueller-gewalt-2023.html - BKSF - Gemeinsame Stellungnahme organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt, 11.04.2023
https://www.bundeskoordinierung.de/de/article/566.rog.html - EMDRIA Deutschland e.V. - Positionspapier - zur Debatte über “False Memories”, 10.05.2023
https://www.emdria.de/aktuelles/detail/positionspapier-zur-psychotherapeutischen-behandlung-der-folgen-sexuellen-missbrauchs-zur-debatte-ueber-false-memories - Stellungnahme des DGTD Vorstands zum Spiegel Artikel vom 11.03.2023, Ausgabe Nr. 11
https://www.dgtd.de/aktuelles/stellungnahme-der-dgtd - GPTG - Stellungnahme des Vorstands der GPTG zur aktuellen Diskussion um rituelle Gewalt
https://www.gptg.eu/presse/stellungnahme-zur-diskussion - DeGPT - Stellungnahme zur aktuellen Diskussion über sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend in organisierten und rituellen Strukturen
https://www.degpt.de/aktuelles/aktuelle-themen/stellungnahme-zur-aktuellen-diskussion-ueber-sexualisierte-gewalt-in-kindheit-jugend-in-organisierten-rituellen-strukturen/ - BFF - Frauen gegen Gewalt, Organisierte und rituelle Gewalt
https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/infothek/organisierte-und-rituelle-gewalt/weitere-informationen.html