Schwierige Diskussionskultur, eine Zusammenfassung der letzten Monate

Inhaltsverzeichnis

False Memory Schweiz

Seit Ende Oktober ist die Homepage des neuen Vereins „False Memory Schweiz“ online. Der Verein kooperiert zwar mit False Memory Deutschland, ist ansonsten jedoch eigenständig. Die Ziele gleichen sich und auch in der Schweiz soll zukünftig Beratung angeboten werden.

Wer mehr erfahren möchte, kann sich auf der Homepage ein wenig umsehen.

Arbeitskreis Psychologie im Strafverfahren

Im Bereich der forensischen Psychologie scheint mir das Thema eine besondere Bedeutung einzunehmen, da es von juristischer Relevanz ist.

Am 4. November fand in Düsseldorf eine Tagung des Arbeitskreis für Psychologie in Strafverfahren statt. Das Hauptthema lautete „Kindesmissbrauch – Kontroversen und Herausforderungen in Forschung, Strafrecht und Aussagepsychologie“. Die Diskussionen verliefen meinem Eindruck nach gut, da jeder seine Meinung äußern durfte ohne angegangen zu werden. Beim Thema ritueller Missbrauch ist dies oftmals nicht möglich.

Ein Vortrag zeichnete im Ansatz eine aktuelle Entwicklung, die die Verwertbarkeit von Aussagengutachten infrage stellt. Im schlimmsten Fall könnte diese zu einer Beweislastumkehr führen. Für die Justiz wäre es eine Katastrophe, wenn Beschuldigte in Zukunft vermehrt ihre Unschuld beweisen müssten und reinen Behauptungen mehr Wert für eine Verurteilung zugesprochen wird.

Berichterstattung und Diskussionen

Sebastian Fobbe veröffentlichte im Magazin Rums (Neuer Journalismus für Münster) eine größere Zusammenfassung zur Schließung des Bistums Münsters. Der Artikel ist inzwischen öffentlich verfügbar.

Susanna Niehaus und Andreas Krause

Die größten Hingucker dürften wohl kritische, wissenschaftliche Beiträge von Susanna Niehaus und Andreas Krause gewesen sein, die öffentlich die UBSKM kritisierten und spezifische Namen von Personen nannten, die sich nicht an wissenschaftliche Standards halten würden. Die Beschuldigten wandten sich mit einer relativierenden Gegendarstellung an die veröffentlichende Fachzeitschrift, wodurch eine weitere Reaktion durch Niehaus und Krause erfolgte.

Eine gute Zusammenfassung, zu diesem Thema, ist im Blog der GWUP vorzufinden.

Jan Gysi

Sowohl im Magazin Der Spiegel als auch im Schweizer Medium Blick.ch, wurde über den schweizer Psychiater Jan Gysi berichtet, der in der Vergangenheit ebenfalls mit der Satanic Panic in Verbindung gebracht wird und als Anhänger der Mind-Control These gilt. Folgt man Gysis Quellenangaben, stößt man auf das deutsche Buch „Komplexe Traumafolgestörungen“ in dem in der aktuellen Auflage ebenfalls das Konzept von Mind-Control aufgegriffen wird.

Prüft man die Quellen, findet sich kaum ein Hinweis über Programmierung oder Gedankenkontrolle. Ältere Quellen benennen mit Mind-Control das Brechen des Willens bei Kriegsgefangenen. Das Thema „Programmierung“ scheint überwiegend durch die kanadische Psychotherapeutin Alison Miller Einzug gehalten zu haben. Alison Millers Buch “Jenseits des Vorstellbaren: Therapie bei Ritueller Gewalt und Mind Control”, wird auch von Niehaus und Krause als ein zentrales Werk der Szene betrachtet.

Exkurs “Mind-Control”

Laut dem englischen Wikipedia-Artikel zur Satanic Panic, nutzte der Psychologe Corydon Hammond bereits in den 90ern den Begriff Mind-Control. Ein besonderes Augenmerk verdient dabei “The Greenbaum Speech”. In dieser Rede sind die meisten Thesen der Satanic Panic vollumfänglich aufgeführt. Zudem geht aus der Rede hervor, dass Hammond Umfragen durchführte, die eine Ergebnisoffenheit vermissen ließen:

Then I decided to do a survey, and from the ISSMP&D [International Society for the Study of Multiple Personality and Dissociation] folks I picked out about a dozen and a half therapists that I though were seeing more of that than probably anyone else around and I started surveying them. The interview protocol, that I had. got the same reaction almost without exception. Those therapists said, “You’re asking questions I don’t know the answers to. You’re asking more specific questions than I’ve ever asked my patients.” Many of those same therapists said, “Let me ask those questions and I’ll get back to you with the answer.” Many of them not only got back with answers, but said, “You’ve got to talk to this patient or these two patients.”

(The Greenbaum speech)

Politik und Bildung

Politisch betrachtet kam nach der Sendung des ZDF Magazin Royale nur minimal Bewegung in die Sache. Tief vergraben im vermeintlichen Schutz vor sexueller Gewalt und Missbrauch von Kindern, versteckt sich wissenschaftlicher Unsinn in beratenden Gremien. Dieser Unsinn bringt mehr Schaden als Nutzen mit sich.

Die Einflussnahme einer ideologisierten Vertreter- und Helferszene scheint weiter fortgeschritten, als es für ein Bildungsland noch gesund wäre.

Politik und Bildungseinrichtungen scheinen weit genug geimpft zu sein, um die Aussagen nicht selbst zu überprüfen. Die Falschaussagen werden in Bildungseinrichtungen und Fortbildungen weiter kultiviert.

Bereits im Juni wurde an der FH Münster ein Hochschulpreis an einen jungen Absolventen verliehen. Der Titel der Bachelorarbeit lautete „Wie kann Opfern organisierter und ritueller Gewalt geholfen werden?“. Auf eine Anfrage zeigte sich die Hochschule zunächst offen, meldete sich jedoch nach einem freundlichen Telefonat nicht mehr. Erst nach Erinnerung teilte man mit, dass selbst die Herausgabe des verwendeten Literaturverzeichnisses nicht möglich sei.

Die Arbeit fand im Rahmen eines Studiums des Sozialwesens statt. Das Thema “Rituelle Gewalt” wird zwar vermehrt in psychologischen Fachkreisen diskutiert, ist jedoch ebenso im Bereich der Sozialen Arbeit von hoher Relevanz. Den unterschiedlichen Quellen nach zu urteilen, orientierte sich der junge Student unter anderem an Quellen von Thorsten Becker und Aussagen von Lichtstrahlen Oldenburg e.V.

Thorsten Becker scheint ein starker Sympathisant von Michaela Huber zu sein und widmete ihr im letzten Jahr das Buch „Trauma, Dissoziation und Inspiration: Michaela Huber zum 70. Geburtstag“.

Der Verein Lichtstrahlen Oldenburg ist ebenfalls sehr aktiv, was die Selbsthilfe zu ritueller Gewalt betrifft. Der Verein sieht sich als „Selbsthilfeplattform für und von multiplen/stark dissoziierenden Menschen vor dem Hintergrund ritualisierter Gewalt“.

Fortbildungen

Ebenso konnte man einige Weiterbildungsangebote bei verschiedenen Verbänden entdecken.

Der Paritätische

Der Gesamtverband Der Paritätische, führt seit September 2023 eine Seminarreihe „Kinderschutz kompakt“ durch, zu der auch ein Modul über rituelle Gewalt aufgeführt wird. Laut Angabe der Dozentin soll es sich dabei nur um einen kleinen Teil eines komplexen Themas handeln. Sie bot ein Telefongespräch, worauf ich allerdings nicht mehr reagierte - da es in meinem Alltag komplett untergegangen war nochmals zu antworten.

THZM

Bis vor kurzem wurde auf den Seiten des Traumahilfezentrum München eine Veranstaltung zum Thema organisierte sexualisierte Gewalt aufgeführt - mit dem Zusatz “zum Teil mit ideologischem Überbau”. Als Dozentin wurde Sabine Weber angegeben, die sich seit längerem im Bereich ritueller Gewalt engagiert und Mitautorin des Ausstiegsleitfaden aus rituellen Gewaltstrukturen ist. Sabine Weber gilt selbst als Überlebende Ritueller Gewalt, die 30 Jahre lang in einem „teuflischen Kult“ gelebt haben soll.

Aus welchen Gründen diese Veranstaltung nicht mehr aufzufinden ist, ist nicht bekannt. Bereits Anfang des Jahres sagte das Traumahilfezentrum München eine Fachtagung zum Thema Rituelle Gewalt ab. Der Blog dissoziationen.de berichtete darüber.

DGVT

Im November veranstaltet(e) die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) einen zweiteiligen Vortrag unter dem Titel „Rituelle sexuelle Gewalt, auch mit satanischem Hintergrund“. Laut Auskunft der Webseite, ist die Veranstaltung von der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg akkreditiert.

Zusammen mit weiteren Fachgesellschaften, positionierte sich die DGVT zum Thema rituelle Gewalt und wehrte sich unter anderem gegen die Annahme, dass Therapierende im großen Stil ihrer Klientel traumatische Erinnerungen einpflanzen würden.

Dass es sich Deutschland mit der Aufklärung nicht gerade leicht macht, ist inzwischen auch in der Schweiz aufgefallen. So ist in einem Artikel auf Blick.ch zu lesen „Die Schweiz guckt hin, Deutschland weg“.

DGPPN

Auf dem DGPPN Kongress 2023 wird das Thema Rituelle Gewalt in zwei Symposien, mit mehreren Vortragenden, thematisiert.

Beide Symposien finden am Donnerstag, den 30. November 2023, statt:

S-045 Kontroversen um die Versorgung von Betroffenen nach organisierter Gewalt – eine fachliche Einordnung
S-045 Kontroversen um die Versorgung von Betroffenen nach organisierter Gewalt – eine fachliche Einordnung
S-102 Dissoziative Identitätsstörung und rituelle Gewalt: Fakten und Fiktionen
S-102 Dissoziative Identitätsstörung und rituelle Gewalt: Fakten und Fiktionen

Weitere Inhalte sind dem Programm der Homepage zu entnehmen. Eine vergünstigte Teilnahme, für Betroffene und deren Angehörigen, ist durch eine vorherige Anfrage möglich.

Update 26.11.2023 - WTF Talk mit “Satanic Panic”-Update

Darf nicht vergessen werden! Am 12.11. fand ein WTF-Talk mit zusätzlichen Gästen statt. Unter anderem Bianca Liebrand (Sekten Info NRW), Christopher Piltz (Der Spiegel) und Frank Urbaniok (forensischer Psychiater). Die Aufzeichnung kann man sich auf YouTube anschauen.